Igel
Eiche, schwarz lasiert, Höhe 46,6 cm, Ø 44 cm
Die Skulptur am ehemaligen Igel, dem legendären Versteck österreichischer Oppositioneller von 1944–1945, lenkt den Blick auf den Salzberg Sandling, in dessen Stollen Raubkunst der Nationalsozialisten gelagert war. Unter den gestohlenen Werken war auch ein bedeutender Teil der Sammlung von Oscar Bondy. Die stachelige Rundform der Skulptur ist von einem ähnlich gestalteten Objekt abgeleitet, das ihm einst gehörte. Eine zweite Auflage steht im Kurpark von Altaussee. Dieser Besitz gehörte einem weitläufigen Verwandten von Bondy. Es wurde 1938 „arisiert“ und nach dem Krieg restituiert. Die dritte Auflage ist im Kunsthaus zu sehen. Bitte nicht berühren.
Der Igel ist als Bronzeskulptur ab der Eröffnung am 6.7.2019 permanent im Kurpark von Altaussee zu sehen.
IM TAL
Das heutige Kur- und Amtshaus befindet sich in der ehemaligen Auspitz-Villa, die 1884 errichtet wurde. Die bedeutende jüdische Familie Auspitz stammt ursprünglich aus Mähren im heutigen Tschechien und wurde in der Donaumonarchie vermögend. Der Bankier und Zuckerfabrikant Rudolf Auspitz übernahm 1886 den neu gebauten Sommersitz in Altaussee. Der parkähnliche Garten mit Glashaus wurde bald darauf angelegt. 1938 enteigneten die Nationalsozialisten den gesamten Besitz. Rudolfs Sohn Stefan Auspitz, damaliger Bankgesellschafter und Hausbesitzer, wurde nach Theresienstadt sowie später in das KZ Dachau deportiert und überlebte seine Befreiung nur um wenige Monate. Es bestand eine entfernte Schwägerschaft von Rudolf Auspitz zu Oscar Bondy, der Zuckerfabriken in Böhmen/Tschechien besaß und ebenfalls in Wien lebte. Bondy konnte 1938 direkt nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Dritte Reich der Verfolgung entkommen und starb 1944 in New York. Sein Vermögen und seine umfangreiche Kunstsammlung wurden „arisiert“. Die wertvollsten Objekte und Gemälde waren im Zentraldepot des Kunsthistorischen Museums Wien und von dort schließlich als Teil der Raubkunst im Ausseer Salzberg eingelagert worden. Die Restitution der Auspitz-Villa erfolgte nach Kriegsende. Die Gemeinde erwarb das Gebäude 1966 und baute es 1969 zum Kurhaus mit Kurpark um. Das Gebäude wurde 1992 komplett erneuert zum Kur- und Amtshaus.
IN DEN BERGEN
Die Kommunisten Sepp Plieseis, Alois Straubinger, Karl Gitzoller gründeten im November 1943 nach ihrer Flucht aus dem KZ-Außenlager Hallein (Plieseis) bzw. dem Polizeigefängnis in Wels (Straubinger) die Untergrundgruppe Willy-Fred, um den Widerstand im Ausserland aufzubauen. Dazu gehörten u. a. auch Resi Pesendorfer, Zilli Langeder und Maria Ganör. Das Leben in der Illegalität war trotz Unterstützung durch die Frauen und andere Mitwisser sehr gefährlich.
Im Frühjahr 1944 zogen sie sich auf 1280 m in das westliche Tote Gebirge zurück, das bis heute ein relativ unzugängliches Gebiet ist. Die Frauen blieben im Tal. Hans Mittendorfer kam hinzu, der Sohn des Revierförsters. Man brach ihm den Fuß, damit er nicht in den Krieg musste und bei ihnen bleiben konnte. Sein Vater gab den Hinweis auf diese Stelle. Er hielt die Information geheim. Der Ort wurde Igel genannt, weil das Tier beim Bau des Unterschlupfes auftauchte. Frisch geschlagene Holzstämme und Rinde boten notdürftigen Schutz vor Nässe und dienten der Tarnung. Es gab eine Feuerstelle, ein Radio, ein paar Bücher und sogar ein Glasfenster. Im Laufe der Zeit wuchs die Gruppe wohl auf bis zu 15 oder 20 Personen an. Sie waren Verfolgte, Deserteure und religiöse Menschen wie Karl Feldhammer, die trotz aller ideologischen Unterschiede das politische Ziel verband, ein freiheitliches Österreich wiederherzustellen. Sie waren zur Verteidigung und für das Wildern bewaffnet und verfügten über etwas Sprengstoff. Bei einem nächtlichen Besuch in seinem überwachten Haus in Altaussee wurde Karl Feldhammer am 26. Januar 1945 von der Gestapo auf der Flucht erschossen.
„Unsere politische Tätigkeit war vorwiegend und unermüdlich Aufklärungsarbeit unter der Bevölkerung. Für eine schriftliche Aufklärungsarbeit fehlten uns die technischen Mittel. Zu militärischen Aktionen als geschlossene Gruppe ist es gegenüber unseren Gegnern nie gekommen. Wir haben uns von (sic) der Lage des Krieges und über die Weltlage ständig informiert. Wir haben englische und russische Sender in deutscher Sprache gehört.“ (Alois Straubinger, in: Rolinek 2005, S. 108 f.) Seit Juni 1994 hängt eine Gedenktafel des Vereins Widerstandsmuseum beim ehemaligen Igel.
ÜBER DIE ARBEIT VON EVA GRUBINGER
Werke von Eva Grubinger erscheinen mitunter wie eine Chiffre oder wie ein verkürztes Zeichen, die eine allgemeine Bedeutung im besonderen Zusammenhang sichtbar machen.
In Material, Farbe, Proportion, Körperlichkeit und schließlich auch durch die Leichtigkeit der Reduktion und ihre spielerische Eleganz wird Inhalt bei Grubinger zur künstlerischen Form. Ausführliche thematische Recherchen münden in raumgreifende Ausstellungssituationen, die Betrachterinnen und Betrachter ebenso unmittelbar sinnlich wie ästhetisch reflektierend ansprechen. Grubingers Werke greifen dabei immer wieder auf elementare Formfragen der Moderne zu Funktion, Gebrauch und Eigenständigkeit von Kunst zurück. Ihre Themen aber sind politisch, das heißt die Spuren der Moderne werden von ihr aus heutiger Sicht gelesen. Historie ist verbunden mit der Macht der Geschichtsschreibung und hier beginnt für Grubinger der eigentliche Stellenwert im Heute: Was wird erinnert und was wird vergessen und vor allem wie sind diese zeitlichen Prozesse als räumliche Spur oder dreidimensionale Struktur in unserer Gegenwart beschaffen?
So entwickelte sie zum Beispiel gemeinsam mit Studierenden der Kunstuniversität Linz eine klare dreidimensionale Form, die als freistehende 8 m lange und 2,3 m hohe Wand einen Ausstellungsraum in Trondheim teilte, Five Serbs (2010). Schwarzes Textilgewebe überspannte die Wand beiderseits auf ganzer Länge. Unter dem Stoff wurden Auswüchse sichtbar, die das Gewebe zerdehnten und einen ungewöhnlichen bis unheimlichen Eindruck hinterließen. Die Geschichte zu dieser künstlerischen Form beruht auf dem Tod von Zwangsarbeitern, unter ihnen viele Serben, die beim Bau des Ausstellungsortes – dem ehemaligen U-Bootbunker Dora I – während der deutschen Besatzungszeit in Norwegen (1940-1945) durch Angehörige der Organisation Todt ermordet wurden. Einer ungesicherten Überlieferung zufolge waren fünf von ihnen in flüssigen Beton gestoßen worden. Five Serbs wurde zu einem zeitlich befristeten Denkmal mit unsichtbaren Spuren einer Geschichte, die ungern erinnert wird.
In Altaussee bezieht Grubinger ihren Projektvorschlag auf den legendenumwobenen Rückzugsort von österreichischen Oppositionellen im Toten Gebirge, die von 1943-1945 im von ihnen so genannten Igel vor nationalsozialistischen Verfolgern Unterschlupf fanden. Der geheime Unterstand war anfangs von bis zu vier Personen genutzt worden, die bald an die 20 Männer um sich scharten. Die Künstlerin entwirft eine benutzbare Skulptur, die den Besuchern einen Sitz mit Blick in die Landschaft ermöglicht. Die stachelige Rundform der Skulptur ist von einem ähnlich gestalteten Objekt aus dem Besitz von Oscar Bondy ableitet, dessen Sammlung in den 1930er Jahren von den Nationalsozialisten arisiert wurde. Die außergewöhnlichsten Werke seiner Sammlung waren Teil der Raubkunst, die im Altausseer Salzbergwerk gelagert worden war. Grubingers Skulptur soll am Rückzugsort Igel und in Altaussee platziert werden.